"Italienisches Athen" - Florenz Marathon 09
Florenz - das "italienisches Athen". Im ursprünglichen Sinne gilt diese Beschreibung den zahlreichen und einzigartigen Kunststätten der florentinischen Hauptstadt. Doch einmal jährlich passt diese Formulierung auch zur sportlichen Kunst einen Marathon zu laufen. Ja, Kunst. Denn beim diesjährigen Florenz Marathon lieferte Running Zuschi einige Kunststücke... und Eva Maria Gradwohl ein Meisterwerk! 29. November, über 10.000 Marathonis strömen durch die Altstadt von Florenz - hinauf zum Piazza Michelangelo. Oben angekommen - das erste Kunstwerk. Tausende Läufer versuchen kunstvoll in einen Startblock hineinzuschlüpfen, wo sie eigentlich nicht hingehören. Aber es zählt auch zur Kunst die Drängerei einfach zu ignorieren und standhaft seinen Quadratmeter zu verteidigen. Die erhoffte Verteidigungszeit von max. 15 Minuten verlängert sich fließend in geschlagene 40 Minuten, ehe um 9:20 statt 9:00 Uhr der Startschuss fällt.

Über 10.000 Marathonis stürmen los

Sich auf dem ersten Kilometer durch eine gemütliche Lauf-Tratschrunde durchzubahnen, hinterlässt eine kunstvolle Schlangenlinie und eine erschreckende KM Zeit von 5:12 auf den ersten 1.000 Metern. Ruhig Blut, noch sind 41 zu laufen...

Die größte Kunst des Marathonlaufens ist das Tempo durchgängig gleichmäßig zu halten - vom ersten bis zum letzten Schritt. Dieses Marathonrenntempo muss dem Marathoni einfach im Blut übergehen. Und wenn gegen Ende des Rennens noch Reserven da sind, wird ein "negativer Split" - also eine Temposteigerung auf der 2. Marathonhälfte - als die allergrößte Kunst angesehen.

Trotz Zickzacklauf finden die Beine rasch das so häufig geübte und gelaufene Marathonrenntempo... doch es fühlt sich so an, als ob sie gerade heute eher eine Kunstpause einlegen möchten. Das Training der letzten Monate dürfte sie doch etwas zu sehr beansprucht haben.

Bis 22 KM gelingt das gleichmäßige Kunststück, ehe ein neues Kunstwerk langsam entsteht: 8 Blasen auf den Zehen und 2 verkrampfte Oberschenkelmuskeln, die sich freuen, dass ab sofort das Tempo etwas gedrosselt wird.

Nun kommt das Kopfkunststück ins Spiel: Zielzeit vergessen, den Zieleinlauf vor dem geistigen Auge verstärken, dass die Beine auch wirklich den Weg ins Ziel nehmen.

Doch auch dem perfekten Verpflegungstiming geht eine künstlerische Planung voraus: Bei KM 13 linke Seite, unter dem Parkschild, bei KM 20 links vor der 90° Kurve, bei KM 25 rechts, 100 Meter vor der Verpflegungsstation... usw. Und dieser Plan geht auf. Auch wenn die Nahrung nicht so ganz in den Magen möchte, die Übergaben funktioniert übergenau - wie eine Atomuhr.
Optimale Timing-Kunst

KM 30, 31, 32, 33, 34, 35,... jeder Schritt schmerzt - aber mit dem Schmerz wird Verstecken gespielt. Immer geradeaus, bis zum Florentinischen Wahrzeichen "Ponte Vecchio", dann ein Linksschwung hinein in Richtung der Kunstschatztruhe Uffizien, weiter zum farbenprächtigen Dom, wo das Schild KM 40 wartet. Dann das Sammeln der allerletzten Reserven... KM 41, KM 42 und dann die letzten 200 Meter, für die man 3 Stunden und 19 Minuten gekämpft hat.

Es ist vollbracht... die letzten 200 Meter
Und nach 3 Stunden, 20 Minuten und 48 Sekunden ist das Kunstwerk vollbracht: zwar keine neue Bestzeit, aber immerhin die 2.schnellste meiner Marathonendzeiten, Platz 64 in der Damenwertung und oben drauf jede Menge neue Marathonerfahrungen, die das mystische und fesselnde Bild des Marathons noch stärker machen. Und schon ist wieder das nächste Marathonbild im Kopf - frei nach der Redewendung: nach dem Marathon, ist vor dem Marathon.

Ein besonders schönes Meisterwerk schaffte die österreichische Top-Marathonläuferin Eva Maria Gradwohl! Sie siegte mit der tollen Zeit von 2:35 - inkl. des Glanzstückes auf den letzten Kilometern von Platz 4 auf Platz 1 zu laufen! :-)
Und alle Gegnerinnen sahen sie an diesem Tag nur so...
Eva Maria Gradwohl war an diesem Tag einfach für alle zu schnell... nicht nur für ihre Gegnerinnen!